27. November 2024

Dreißig Jahre Ansprachekreis in St. Josef: Wir bleiben dran!

Wir sind Sieben. Mit kleinen Schwankungen – dazu später. Sieben Frauen und Männer treffen sich monatlich – die Sommerferienzeit ausgenommen – zu einem intensiven Schriftgespräch: Sie nehmen sich die Texte aus dem Alten und dem Neuen Testament „zur Brust“ – d.h. mit Herz und Verstand – die die Leseordnung der Kirche für einen bestimmten Sonntag vorsieht. Sie fragen, diskutieren, erregen sich – und werden still. Und nach rund anderthalb Stunden heißt es dann: Wer macht’s? Wer möchte, wer traut sich zu, „in die Bütt zu gehen“? Am Samstagabend oder Sonntag zur versammelten Gottesdienstgemeinde etwas von dem weiterzusagen, was uns gemeinsam an diesem „Wort Gottes“ aufgegangen ist, was uns bewegt und erregt, erfreut und geärgert hat? Auf ganz persönliche Weise, im je eigenen Stil, mit individueller Perspektive! Ich plaudere ein bisschen aus dem Nähkästchen und verrate nur soviel: In aller Regel ist die Zurückhaltung groß! Wir arbeiten alle gerne im Ansprachekreis mit, aber wenn es um das Entscheidende, die „Predigt“, geht, zögern wir lange und müssen uns einen ordentlichen Ruck geben, bis wir sagen: Ich mach’s!

Und so geht das nun schon dreißig Jahre! Wer hätte das gedacht? So viele Initiativen laufen ins Leere, so viele gute Ideen kommen über den Status der Diskussion und des „...man müsste mal…“ nicht hinaus, so viel Energie verpufft und soviel guter Wille versandet. Wer wie ich seit über 50 Jahren in kirchlichen Gremien und Gruppen mitgearbeitet hat, kann davon ein vielstrophiges Lied singen. Da darf man sich schon wundern, dass diese Idee eines Pfarrgemeinderats vor dreißig Jahren immer noch lebt: Wenn der Priester nicht mehr predigen kann, können einen Teil seines Dienstes dann nicht „normale“ Frauen und Männer übernehmen? Damals, im Sommer 1994, hatte der 67 Jahre alte Pastor Anton Korth seinen Rücktritt zum Jahresende angekündigt und „ab sofort“ seinen Rückzug vom Predigen. Das könne er einfach nicht mehr. Und: Lieber keine Predigt, als eine schlechte Predigt! So entschied Pastor Korth für sich. Wer nun meint, da sei es eine naheliegende Idee, sich nach „Laien“ umzugucken, die diese Aufgabe vielleicht übernehmen könnten, hat zwar die Logik für sich, aber nicht die Theo-Logik. Die lautet: Lieber eine schlechte oder gar keine Predigt, als eine Laienpredigt. Das Kirchenrecht verbietet solche Praxis ausdrücklich. Nicht gerade mit durchschlagendem Erfolg, sonst hätte es nicht 1997 einer römischen „Instruktion“ bedurft, die dieses „Verbot“ kategorisch in Erinnerung brachte.

„Haben Sie ein Problem? Ich nicht!“

Die Kirche verbietet die „Laienpredigt“ in der Eucharistiefeier! Es lohnt sich, unter diesem Aspekt auf die 30 Jahre subversiver Tätigkeit in St. Josef in Frintrop zurückzuschauen. Wir haben uns in den ersten Jahren schon öfters gefragt: Was passiert eigentlich, wenn „Rom“ reagiert? Oder der Bischof von Essen – etwa durch eine Denunziation – sich zum Einschreiten gezwungen sieht? Aber – ich schwör! - nie ist etwas passiert. Ein einziges Mal hat der persönliche Referent von Bischof Luthe – gleichzeitig „Dezernent für Glaubenslehre und Gottesdienst“ – unseren Pastor Haberla brieflich ermahnt, von dieser Praxis Abstand zu nehmen. Bei einem meiner nächsten Dienstgespräche mit Bischof Hubert lenke ich das Gespräch auf dieses Thema und sage zum Bischof: „Sie wissen doch, dass ich predige?“ „Ja“, sagt der Bischof, „das weiß ich. Haben Sie ein Problem damit? Ich nicht?“ Das Schreiben des Referenten landete im Papierkorb.

So ist das leider nicht selten in unserer Kirche: Theorie und Praxis klaffen auseinander. Eine Lehre, ein Verbot werden krampfhaft aufrechterhalten, während das Leben schon ganz anders spielt. Und man lässt lieber den Widerspruch stehen, als dass man an der altehrwürdigen Tradition etwas ändert.

Wir haben unsere „Laienpredigt“ immer als eine Art von „vorauseilendem Gehorsam“ betrachtet und sie mit der Hoffnung verbunden, dass unser Beispiel „Schule macht“ und zur Veränderung beiträgt. In dieser Hinsicht gibt es aus den letzten zehn Jahren einige positive Signale zu erzählen.

Ein Buch, ein Zukunftsbildprojekt und der Synodale Weg

Im Jahr 2013 wuchs in unserem Kreis die Idee, aus Anlass unseres 20jährigen Jubiläums ein Buch mit einer Auswahl unserer Predigten und einführenden Überlegungen zur „Laienpredigt“ in einem renommierten Verlag herauszubringen. Das wäre ein beachtlicher Schritt aus der Verborgenheit unseres nicht ganz regelgerechten Tuns in die Öffentlichkeit. Natürlich hatten wir auch jede Menge Bedenken: Würden wir uns nicht übernehmen, inhaltlich, organisatorisch, finanziell? Und was macht ein solcher Schritt in die Öffentlichkeit mit unserer Bistumsleitung? Ich wurde also beauftragt, mal vorzufühlen. Seit 2012 ist Klaus Pfeffer Generalvikar von Bischof Franz-Josef Overbeck. Von 1992 bis 1995 war er Kaplan in St. Josef und am Start des Unternehmens „Laienpredigt“ nicht unbeteiligt. Ich berichte ihm also von unserem Vorhaben und frage: „Klaus, würde ein solches Buch Dich oder Deinen Bischof in Verlegenheit bringen?“ Der Generalvikar zögert vielleicht zehn Sekunden, dann die Antwort: „Nein! Aber soll ich Euch ein Vorwort schreiben?“.

Das war der Rückenwind und die Ermutigung, die wir gut brauchen konnten! 2015 erschien das Buch unter dem Titel: „Wenn Laien zu Wort kommen“. Klaus Pfeffer schrieb u.a. in seinem Vorwort: „Oft gibt es in der Kirche viel Ängstlichkeit und Sorge, wohin etwas führen könnte, was vielleicht ungewohnt ist oder auch eine kirchenrechtliche Gratwanderung bedeuten könnte. Ich plädiere für Gelassenheit und denke dabei an den Rat des Gamaliel aus der Apostelgeschichte (Apg 5,34ff): Wenn etwas Gott nicht gefallen sollte, dann wird es sich eines Tages von selbst erledigen; wenn aber etwas tatsächlich aus Gottes Geist erwächst, dann wird es sich durchsetzen und auch Bestand haben. Insofern schaue ich heute mit großem Respekt auf den Ansprachekreis in der Frintroper Gemeinde St. Josef – Gottes Geist, so meine ich, ist da sehr kräftig am Werk!“

Bei so viel Zuspruch aus der Bistumsleitung wundert es nicht, dass 2015 eines der „Zukunftsbildprojekte“, die sich das Bistum Essen auf die Fahnen schrieb, „Ansprachen und Glaubenszeugnisse“ hieß und das Ziel formuliert wurde: „Künftig wollen wir in unseren Gemeinden vermehrt ehrenamtliche Frauen und Männer finden, die unsere Gottesdienste durch eigene Ansprachen und persönliche Glaubenszeugnisse bereichern“.
Im Zuge der Arbeit an diesem „Zukunftsbild“ interessierten sich auch andere Gemeinden und Pfarreien für unser Tun. Unser ganzer Kreis wurde in das Gemeindezentrum „maGma“ in Bochum-Wattenscheid eingeladen. Wir konnten dort vor über hundert Interessierten über unsere Frintroper Praxis berichten.

Eine letzte Entwicklung des Themas „Laienpredigt“ soll nicht unterschlagen werden. Auch der „Synodale Weg“ hat sich das Anliegen zu eigen gemacht und auf seiner letzten Sitzung im März 2023 den Handlungstext „Verkündigung des Evangeliums durch Lai*innen in Wort und Sakrament“ mit großer Mehrheit beschlossen.

Fazit: Und sie bewegt sich doch, die Kirche.

Und der menschliche Faktor?

Nach dieser eher kirchenpolitisch orientierten Rückschau gehört es sich, zum Schluss einen Blick auf die Menschen zu werfen, die zu diesem Kreis gehören. Ein unveränderliches Kennzeichen des Ansprachekreises ist seine stetige Veränderung. Das ist ja soweit ganz natürlich: Berufliche oder familiäre Belastungen, gescheiterte Beziehungen, Altersgründe und auch der Tod haben immer wieder dazu geführt, dass wir Menschen „gehen lassen“ mussten. Das fiel uns ohnehin nie leicht! Aber wir mussten uns insbesondere die bange Frage stellen: Wie geht’s jetzt weiter? Wer kann die Lücke schließen? Wem trauen wir das zu, wer passt zu uns? Und gelingt es uns, diese Menschen neugierig zu machen auf uns und auf diese Aufgabe? Sind sie bereit, sich auf dieses Wagnis – und die nicht unbeträchtliche zeitliche Beanspruchung – einzulassen?

Manchmal können wir es selbst kaum glauben und betrachten es als kleines Wunder: Immer wieder war unser Suchen erfolgreich! Und jedes neue Mitglied brachte eine Belebung und Auffrischung, andere Akzente und Erfahrungen in unseren Kreis.

Es sind 18 Männer und Frauen, die sich in den letzten 30 Jahren auf diesen besonderen „Dienst am Wort“, auf die Erfahrung mit der Bibel und mit den Menschen eingelassen haben: Ulrike Beck, Sabine Behrendt, Arnd Brechmann, Carsten Buchholz, Günter Eilers, Herbert Fendrich, Ulrike Fendrich, Ansgar Herkenrath (+), Josef Högner (+), Edith Huberts, Alexander Junk, Sabine Lethen. Hubert Löwendick, Ursula Mühlenbeck (+), Sophie Marie Schnurre, Ursula Schwinning (+), Marianne Sonntag, Rainer Teuber, Markus Weckesser.

Herbert Fendrich

 

 

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